Positive Bilanz: 10 Jahre Strassenprostitution am Depotweg
Vor genau einem Jahrzehnt öffneten sich erstmals die Pforten des Strichplatzes. Dieses Angebot in Zürich-Altstetten, zwischen Bürogebäuden und Künstlerateliers gelegen, entstand als Reaktion der Stadt Zürich auf die unhaltbaren Zustände, die am Sihlquai herrschten. Dort arbeiteten die Prostituierten unter prekären Bedingungen.
Die Zuhälter waren nicht weit weg
Max Egger erinnert sich lebhaft an vergangene Zeiten. Seit nunmehr drei Jahrzehnten wohnt er am Sihlquai und betreute lange Zeit als Hauswart mehrere Immobilien in der Gegend. "Es gab Zeiten, da waren hier teilweise 70 bis 80 Frauen", erzählt Egger. "Und die Männer, die ihre Dienstleistungen in Anspruch nahmen, sprachen einfach alle Frauen an, egal ob sie gerade von der Arbeit oder dem Einkaufen kamen." Nahezu jeden Morgen sah sich Egger mit den Konsequenzen der Sexarbeit konfrontiert. Er musste Müll einsammeln, gebrauchte Kondome wegräumen und manchmal sogar Exkremente beseitigen. Toiletten waren Mangelware. Und nicht selten wurde das Geschäft direkt vor seiner Haustür abgewickelt. "Ich wartete, bis sie anfingen, und dann klopfte ich mit meinem Baseballschläger ans Autofenster", erzählt Egger. Auf diese Weise drängte er die Freier entschieden dazu, zu verschwinden. "Wenn man sie mit Samthandschuhen angefasst hätte, wären sie nächste Woche wiedergekommen."
Besonders eindrücklich war für ihn jedoch das Verhalten der Zuhälter. "Sie schleppten Sofas auf den Lettensteg und dirigierten die Frauen von dort aus, wenn ein Auto vorfuhr", erinnert sich Egger. Die Prostituierten wurden verbal angegangen und sogar misshandelt. "Das war wirklich schrecklich anzusehen."
Neu mit Alarmknopf, Flutlicht und Sicherheitspersonal
Im August 2013 wurde der bekannte Strassenstrich am Sihlquai geschlossen, zeitgleich jedoch der Strichplatz in Altstetten eröffnet. Die Stadt Zürich hatte das klare Ziel, die Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen zu verbessern, indem sie sowohl Hygiene als auch Sicherheit gewährleistete.
Ursula Kocher, Leiterin der Beratungsstelle Flora Dora, betont, dass die Sicherheit der Frauen höchste Priorität hat. Sie kümmert sich um die Anliegen der Sexarbeiterinnen in der gesamten Stadt. Erlaubt sind nur Freier, die mit Fahrzeugen ankommen", erklärt Kocher. "Wir möchten keine Fussgänger hier haben. Trotz der Beleuchtung ist das Gelände relativ dunkel. Wenn zu viele Menschen herumlaufen, verlieren wir die Kontrolle über die Situation." Zusätzlich ist in jeder Sexbox, in der die Dienstleistungen erbracht werden, ein Alarmknopf installiert. Dieser aktiviert nicht nur ein Flutlicht, sondern alarmiert auch das Sicherheitspersonal vor Ort. Falls dies nicht ausreicht, wird die Polizei hinzugezogen.
Das Internet hat den Markt verändert
Der Strichplatz hat zweifellos die Arbeitsbedingungen für Prostituierte deutlich verbessert und er erfüllt nach wie vor ein wichtiges Bedürfnis der Sexarbeiterinnen. Dennoch bleibt Ursula Kocher eine grundlegende Entwicklung nicht verborgen. "Der herkömmliche Strassenstrich hat an Relevanz verloren", bemerkt sie. Denn viele Sexarbeiterinnen bieten ihre Dienste nun im Internet an.